Sicherheitstechnische Kennzahlen: Informeller Überblick

Identifizierung von Gefahrstoffen anhand physikalischer Größen

Wie sich gezeigt hat, ist eine Einteilung verschiedener Gefahrstoffe nach ihrem chemischen Aufbau zwar prinzipiell möglich, aber nicht immer eindeutig.
Eine Klassifizierung nach ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften und den sich daraus ableitenden Gefährdungen ist hier von weitaus praktischerem Nutzen.
Im Folgenden sollen die wichtigsten Kennzahlen im Zusammenhang mit physikalischen Gefährdungen vorgestellt werden. Sie sind die Voraussetzung dafür um im nächsten Schritt eine Klassifizierung der verschiedenen Gefährdungsarten vornehmen zu können.

Allgemeine chemisch-physikalische Größen

Um chemische Substanzen, Verbindungen oder auch Gemische zu charakterisieren, können neben ihrer chemischen Zusammensetzung ihre chemisch-physikalische Größen herangezogen werden. Dazu gehören:

Siedepunkt TSd = f(p)

Dichte = f(p, T)

Korngrößenverteilung

Dampfdruck pD = f(T)

Viskosität = f(p, T, ρ)

Bildungsenthalpie

Schmelzpunkt TSm = f(p)

pH-Wert

Löslichkeit in Wasser bzw. Fett

Neben diesen allgemeinen Größen lassen sich für die Einschätzung der Gefährdung durch diese Stoffe aber auch spezielle sicherheitstechnische Kennzahlen bestimmen. Diese dienen zur Beschreibung des physikalisch-chemischen Verhaltens von Substanzen, um ihre potentiellen Explosionsgefahren zu bewerten. In den seltensten Fällen handelt es sich bei den Kennzahlen um reine Stoffkonstanten.

Die einzelnen sicherheitstechnischen Kenngrößen sind dabei historisch gewachsen, dadurch sind die Messvorschriften zum Teil nicht praxisnah und sinnvoll.
Zudem hängen die Kennzahlen auch von der jeweiligen Messmethode ab. Zur Vergleichbarkeit der Kennzahlen werden sie mit normierten Messmethoden ermittelt. Die Tests zur Bestimmung der Kennzahlen sind dahingehend optimiert, dass die Kennzahlen, die die Entzündungswilligkeit eines Stoffes beschreiben, Minimalwerte annehmen und die Kennzahlen, die die Auswirkungen von Explosionen beschreiben, Maximalwerte annehmen. Man muss diese als verbindliche Konvention annehmen, mit der ein Experte auf diesem Gebiet eine Beurteilung von Explosionsgefahren bei einer gegebenen Situation abgeben kann.

Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Flüssigkeiten

Dem Umgang mit brennbaren Gasen und Dämpfen muss eine besondere Aufmerksamkeit aus sicherheitstechnischer Sicht geschenkt werden. Die bei einer explosionsartig ablaufenden Reaktion auftretenden Temperaturen können 1000 °C und mehr erreichen. Der Druck erreicht im Mittel etwa den 8 bis 10-fachen Wert des Ausgangsdrucks.

Für die einzelnen verfügbaren Schutzprinzipien müssen nicht alle Kennzahlen bestimmt werden. In der nachfolgenden Tabelle sind in Abhängigkeit vom angestrebten Schutzkonzept die jeweils wichtigsten zu beachtenden Kenngrößen aufgeführt.

Im Einzelnen sollen dabei jeweils die einzelnen Kenngrößen definiert und die Messverfahren vorgestellt werden. Dabei soll auch auf die bei den einzelnen Größen unter Umständen zu beachtenden Abhängigkeiten von der Temperatur, dem Druck und der Konzentration eingegangen werden.

Schutzkonzept

Schutzmaßnahme

 

Zu beachtende Kenngröße

Primär

Vermeiden oder Einschränken von Stoffen, die explosionsfähige Atmosphäre zu bilden vermögen

 

 

Maßnahmen, welche eine Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern oder einschränken (Vermeiden explosionsfähiger Atmosphäre)

Konzentrationsbegrenzung

Explosionsgrenzen bzw. unterer und oberer Explosionspunkt, Flammpunkt

Inertisierung

Sauerstoffgrenzkonzentration

Sekundär

Maßnahmen, welche die Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern

 

Mindestzündenergie, Zündtemperatur,   exotherme Zersetzung, elektrostatisches Verhalten

Tertiär

Konstruktive Maßnahmen, welche die Auswirkung einer Explosion auf ein unbedenkliches Maß beschränken (Konstruktiver Explosionsschutz)

Explosionsdruckfeste Bauweise

Maximaler Explosionsüberdruck

Explosionsdruckstoßfeste Bauweise (Explosionsdruckentlastung)

KG-Wert, maximaler Explosionsüberdruck

Explosionsdruckstoßfeste Bauweise (Explosionsunterdrückung)

KG-Wert, maximaler Explosionsüberdruck

Sicherheitstechnische Kennzahlen von Stäuben

Die Handhabung von Substanzen, die pulver- oder staubförmig vorliegen, stellt eine Aktivität dar, von der seit über zweihundert Jahren bekannt ist, dass sie einer sorgfältigen sicherheitstechnischen Betrachtung und Bewertung bedarf, um gravierende Unfälle zu vermeiden.
Trocknen, Mahlen, Sieben sowie Mischen und Granulieren sind Beispiele für solche Grundoperationen, die mit der Handhabung von Pulvern und Stäuben verbunden sind.
Im Folgenden soll auf die Besonderheiten der sicherheitstechnischen Kennzahlen von Stäuben eingegangen werden. Es soll unterschieden werden zwischen den

  • Brandeigenschaften von abgelagerten Stäuben
    Explosionseigenschaften von aufgewirbelten Stäuben
  • Einige sicherheitstechnische Kennzahlen für Stäube gleichen denen für brennbare Flüssigkeiten und Gase, allerdings muss bei Stäuben eine abgewandelte Messmethode herangezogen werden.

Die nachfolgende Grafik verdeutlicht die prinzipielle Vorgehensweise bei der systematischen Ermittlung der für Stäube notwendigen Kennzahlen.

Für die einzelnen verfügbaren Schutzprinzipien müssen nicht alle Kennzahlen bestimmt werden. In der nachfolgenden Tabelle ist in Abhängigkeit vom angestrebten Schutzkonzept die jeweils zu beachtende Kenngröße aufgeführt:

Schutzkonzept

Schutzmaßnahme

 

Zu beachtende Kenngröße

Primär

Vermeiden oder Einschränken von Stoffen, die explosionsfähige Atmosphäre zu bilden vermögen

 

Brennbarkeit/ Brennzahl

Explosionsfähigkeit

Maßnahmen, welche eine Bildung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern oder einschränken (Vermeiden explosionsfähiger Atmosphäre)

Konzentrationsbegrenzung

Explosionsgrenzen

Inertisierung

Sauerstoffgrenzkonzentration

Sekundär

Maßnahmen, welche die Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern

 

Mindestzündenergie

Zündtemperatur

Glimmtemperatur

Selbstentzündungsverhalten

exotherme Zersetzung

elektrostatisches Verhalten

Schlagempfindlichkeit

Schwelpunkt

Tertiär

Konstruktive Maßnahmen, welche die Auswirkung einer Explosion auf ein unbedenkliches Maß beschränken (Konstruktiver Explosionsschutz)

Explosionsdruckfeste Bauweise

Maximaler Explosionsüberdruck

Explosionsdruckstoßfeste Bauweise (Explosionsdruckentlastung)

KSt-Wert

maximaler Explosionsüberdruck

Explosionsdruckstoßfeste Bauweise (Explosionsunterdrückung)

KSt-Wert

maximaler Explosionsüberdruck